Tech & Trends KI-Megafabrik gescheitert: Deutschlands Techkonzerne uneins

KI-Megafabrik gescheitert: Deutschlands Techkonzerne uneins

Während die EU Milliarden für KI-Rechenzentren bereitstellt, scheitern deutsche Tech-Riesen an der gemeinsamen Vision. Statt einer gebündelten Kraft im globalen KI-Wettlauf präsentieren sie nun konkurrierende Konzepte – ein Lehrstück über verpasste Chancen.

Die Zukunft der künstlichen Intelligenz in Europa steht auf dem Spiel – und Deutschland droht seine Chance zu verspielen. Ausgerechnet zum Stichtag für EU-Fördergelder in Milliardenhöhe präsentieren sich die heimischen Tech-Konzerne nicht als schlagkräftige Einheit, sondern als zerstrittener Haufen mit Einzelinteressen. Was als deutsches Vorzeigeprojekt geplant war, zerfällt in konkurrierende Initiativen. Ein symptomatisches Debakel für den Digitalstandort Deutschland.

Gescheiterte Allianz der Schwergewichte

Die Ausgangslage klang vielversprechend: Deutsche Telekom, Ionos, SAP, Siemens und die Schwarz-Gruppe wollten gemeinsam ein KI-Rechenzentrum von Weltrang auf deutschem Boden errichten. Die EU hatte 20 Milliarden Euro für neue KI-Gigafactories in Europa in Aussicht gestellt, um den Rückstand gegenüber den USA und China aufzuholen. Bis zu 35 Prozent Förderung winken für Projekte, die mit rund 100.000 KI-Chips der neuesten Generation ausgestattet werden sollen – viermal mehr als in aktuellen Hochleistungsrechnern wie dem Supercomputer „Jupiter“ in Jülich.

Doch statt einer gebündelten Kraftanstrengung gibt es nun mindestens drei konkurrierende Bewerbungen: Die Deutsche Telekom mit ihrer Tochter T-Systems, die Schwarz-Gruppe mit ihrer IT-Sparte Schwarz Digits sowie der Cloud-Anbieter Ionos, der ein eigenes Konsortium mit Unterstützung Bayerns plant. SAP hat sich komplett zurückgezogen und sieht sich lediglich als potenzieller Softwarelieferant.

Ego-Schlachten statt Zukunftsvision

Die Gründe für das Scheitern offenbaren tieferliegende Probleme der deutschen Digitalwirtschaft. Branchenkreise berichten von unüberbrückbaren Differenzen bei der Führungsfrage. Sowohl die börsennotierte Telekom als auch die inhabergeführte Schwarz-Gruppe beanspruchten die Führungsrolle für sich. Die unterschiedlichen Unternehmenskulturen passten einfach nicht zusammen, heißt es aus dem Umfeld der Verhandlungen.

Auch die Standortfrage entwickelte sich zum Zankapfel. Die Schwarz-Gruppe favorisierte ihr bestehendes Rechenzentrum in Lübbenau, während die Ministerpräsidenten aus Bayern und Nordrhein-Westfalen ihre Bundesländer ins Spiel brachten. Bayern gilt jedoch aufgrund hoher Industriestrompreise und struktureller Netzengpässe als problematischer Standort für energiehungrige KI-Fabriken.

Milliardenschwere Risiken ohne klares Geschäftsmodell

Die finanziellen Dimensionen des Projekts sind gewaltig. Die EU veranschlagt mindestens drei bis fünf Milliarden Euro Investitionsvolumen, Branchenexperten rechnen sogar mit sechs Milliarden oder mehr. Selbst mit der maximalen Förderquote von 35 Prozent bleiben enorme Summen, die die Unternehmen selbst aufbringen müssten.

Christian Temath vom Fraunhofer-Institut IAIS betont in einem „heise“-Bericht die wirtschaftliche Herausforderung: Es sei entscheidend, passende Dienstleistungen und KI-Lösungen zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten, um am Markt erfolgreich zu sein. Ein weiteres Problem: Die hochmoderne Hardware wäre in wenigen Jahren bereits veraltet. Experten schlagen daher einen stufenweisen Ausbau vor, beginnend mit deutlich weniger als den angestrebten 100.000 GPUs.

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