Business & Beyond Jetzt müssen Unternehmen auch noch den deutschen Wald retten

Jetzt müssen Unternehmen auch noch den deutschen Wald retten

Heute ist Bürokratie-FREI-Tag: Gisela Meister-Scheufelen, „Miss Bürokratieabbau“ von der Stiftung Familienunternehmen und Politik, stellt regelmäßig absurde bürokratische Hemmnisse vor, die Zeit, Nerven und Geld kosten. Diesmal geht es um jene Bürokraten, die vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen.

Europa stemmt sich gegen die Abholzung – zu Recht, aber leider mit enormer Bürokratie. Die EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte vom Juni 2023 soll Betriebe zu baum-schützenden Lieferketten verpflichten. Ein größeres Familienunternehmen aus Süddeutschland berichtet, dass es allein für die Administration dieser Verordnung einen zusätzlichen Mitarbeiter einstellen muss. Größere Unternehmen müssen mit jährlichen Kosten von 100.000 bis 200.000 Euro rechnen – nicht um Wälder zu schützen, sondern um Berichte zu schreiben.

Wer mit Soja, Ölpalmen, Rindern, Kaffee, Kakao, Kautschuk und Holz sowie daraus hergestellten Erzeugnissen handelt oder diese verwendet, muss garantieren können, dass dies nicht auf landwirtschaftlichen Flächen angebaut wurde, die seit Ende 2020 entwaldet worden sind. Ferner müssen die relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse nach den Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt sein und für sie muss eine Sorgfaltserklärung vorliegen. Die Erklärung ist vor dem „Inverkehrbringen, der Ausfuhr oder dem Bereitstellen auf dem Markt“ an die zuständigen Behörden elektronisch zu übermitteln. Schließlich müssen Großunternehmen müssen dafür einen Compliance-Beauftragten einstellen.

Der Produzent oder Händler muss prüfen, welche Vorschriften für die Herstellung der Produkte im Erzeugerland bestehen und ob sie beachtet worden sind. Findet oder fand dort eine Entwaldung statt? Unternehmen sollen also ihre gesamte Lieferkette rückverfolgen, bis hin zur Erzeugung. Dabei sollen sie Risikoeinschätzungen vornehmen, Schritte zur Risikominimierung durchführen und am Ende entsprechende Sorgfaltspflichterklärungen abgeben. Viele Daten sind nicht ohne Weiteres aufzufinden, was die Sache mühsam macht.

Natürlich geht es aber zur Sache, falls ein Unternehmen gegen die Verordnung verstößt. Die national zu verhängenden Geldbußen müssen mindestens vier Prozent des Jahresumsatzes betragen. Außerdem können die EU-Staaten die Waren sowie die mit ihnen erzielten Einnahmen konfiszieren. Das Gesetz wird ab dem 30. Dezember 2025 für Großunternehmen und ab dem 30. Juni 2026 für alle anderen Unternehmen gelten.

Jetzt muss man aber wissen: Soja, Kakao oder Kaffee sind Produkte, die häufig auf gerodeten Waldflächen angebaut werden. Durch die Entwaldungsverordnung soll die Abholzung des Regenwaldes etwa im südamerikanischen Amazonasgebiet deutlich reduziert werden. In den letzten 30 Jahren sind bis zu 420 Millionen Hektar Wald auf der Welt verloren gegangen. Bäume speichern Kohlendioxid und andere Treibhausgase und schützen damit das Klima.

Das ist ein Problem, doch Kritiker bezweifeln, dass die EU-Entwaldungsverordnung tatsächlich dazu führt, dass die Entwaldung aufhört. Unternehmen könnte nicht eine Kontrollfunktion ausüben, die eigentlich der staatlichen Verwaltung zufällt.

Auch Länder, wo eher aufgeforstet als gerodet wird, fallen unter die Verordnung. Zum Beispiel Deutschland. Bei Erzeugnissen aus heimischen Wäldern sollen Unternehmen genauso ihre Sorgfalt dokumentieren. Zwar gilt Deutschland als „Land mit geringem Risiko der Entwaldung“ und damit treten abgeschwächte Anforderungen in Kraft. Warum es aber überhaupt notwendig ist, hier ein Sorgfaltsgesetz einzuführen, weiß niemand so genau. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber nicht mit Maß und Mitte arbeitet. Ebenso wie bei der Lieferketten-Richtlinie müsste der Gesetzgeber mit einer Negativ-Liste arbeiten, die es den Unternehmen ermöglicht, mit wenig Aufwand zu erkennen, ob sie es mit einem Risikogebiet zu tun haben, das besondere Regularien auslöst oder nicht. Stattdessen wird missionarisch zu einem Rundumschlag ausgeholt. Wohl deshalb sieht der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung zur Vermeidung unnötiger Belastungen durch die europäische Ebene die Einführung eine „Null-Risiko-Kategorie“ vor. Damit würden Sorgfaltspflichten für Unternehmen entfallen, wenn Erzeugnisse aus Ländern ohne Entwaldungsrisiko – wie etwa Deutschland – kommen.